Von Unsicherheit

Wenn das Gespräch darauf fällt, dass andere auch gern so leben würden wie ich, werden viele Bedenken ausgesprochen. Gestern sagte jemand ‚Man möchte ja doch noch Sicherheit haben.‘ Das da, habe ich gesagt, und auf mein Wohnmobil gedeutet, ist ein Weg der Unsicherheit.

Er hat mich angeschaut und geantwortet ‚Unsicherheit?‘. Passt sicher nicht zu dem, dass ich noch einige Minuten vorher gesagt habe, dass ich ja Familie und Freunde habe, dass ich keine Aussteigerin bin und damit Teil eines sozialen Systems, das mich auffängt. Stimmt natürlich. Aber da war ich nicht immer. Es ist keine Unsicherheit, in einem Wohnmobil zu leben, zumindest nicht, solange ich mich in den hiesigen Ländern bewege, in denen ich die Regeln kenne, die Lebensart, die Sprache… aber fortzugehen, es überhaupt anzupacken: Das war eine Phase der völligen Unsicherheit.

Es gab diesen Moment, da habe ich entschieden, fortzugehen. Es gab Menschen und Beziehungen in meinem Umfeld, derer war ich mir sicher. Doch das waren nicht alle. Es gab diesen Moment, da habe ich entschieden, fortzugehen, und musste das meinem Partner eröffnen. Ich konnte kaum nach Hause fahren von der Arbeit, so gross war meine Angst. Die fünfunddreissig Minuten mit dem Fahrrad dem Zürichsee entlang waren so unendlich lang, so hart, so voller Zweifel, so voller Unsicherheit. Was, wenn ich eine Katastrophe auslöste? Was, wenn er nicken und fortgehen würde? Was, wenn… ja, was, wenn was? Ich wusste es nicht.

Was wäre, wenn ich auf Verständnislosigkeit und Ablehnung stossen würde bei den Menschen, welche ich schätze und liebe? Rückblickend eine völlig unnötige Sorge, aber zu diesem Zeitpunkt, da war sie real.

Was, wenn ich nach einigen Wochen schon nicht mehr wollen würde? Was, wenn ich alles vermisse, was ich vorher hatte? Was, wenn ich mich einsam fühlen würde? Würde ich mich so, wie ich mich getraut habe, einfach einzusteigen und wegzufahren, auch getrauen, wieder zurückzugehen, den grandiosen Plan für gescheitert erklären? Weitermachen wie früher? Ich weiss es nicht. (Ich muss es zum Glück nicht herausfinden.)

Nun höre ich schon die Stimmen, die sagen, ‚dass man da doch nicht drüber nachdenken müsse‘, aber ich denke, man muss doch. Es ist wichtig, zumindest für mich, mich mit dem auseinanderzusetzen, was mir Angst macht, zu bedenken, zu überlegen. Die Zweifel und die Angst sind wohl unvermeidlich, also ist nur die Frage, beschäftige ich mich freiwillig damit oder werde ich getrieben, das zu tun. Ich habe mich für freiwillig entschieden – und trotzdem bin ich hier. Vielleicht bin ich auch deswegen hier.

Hier, vor meinem Wohnmobil, neben meinem Hund, darauf wartend, dass die Wäsche trocknet. Morgen fahren wir weiter, wieder ein wenig in die Unsicherheit – die des nächsten Platzes, die der nächsten Menschen, die der nächsten Strecke.

Ich freue mich darauf.

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